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Inhalt

Die Plaggenwirtschaft war eine über 1000 Jahre praktizierte Form der Landwirtschaft, die den  gesamten nordwestdeutschen Raum in einzigartiger Weise geprägt hat. Zeugnisse dieser Landnutzung wie fruchtbare Böden, Eschkanten und ausgedehnte Heidegebiete, lassen sich bis heute in der Landschaft finden. Neben der landwirtschaftlichen Entwicklung, Bodennutzung und typischen Landschaftsformen beeinflusste sie auch ganz wesentlich das Fühlen, Denken, Handeln und Zusammenleben der Menschen dieser Zeit. Aber wer weiß heute noch etwas darüber? Das Buch gibt hierauf spannende und interessante Antworten. Vorgelegt wird eine erste allgemein verständliche Übersicht zu allen Aspekten der Plaggenwirtschaft in Nordwestdeutschland. Angesprochen werden nicht nur Landwirte, Bodenkundler, Geographen und Archäologen, sondern vor allem auch Leser, die Interesse an der bäuerlich geprägten Vergangenheit der Menschen und deren sozio-kulturelle Prägung in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Teilen Mecklenburgs haben. 

ISBN-Nr.: 978-3-662-68914-1, 253 Seiten, 276 Abbildungen

 

Autor

Prof. Dr. Klaus Mueller hat nach einer landwirtschaftlichen Lehre Agrarwissenschaften studiert und auf dem Gebiet der Bodenkunde promoviert. Er war bis 2020 als Professor für Bodenkunde und Geologie an der Hochschule Osnabrück in der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur tätig. Viele Jahre beschäftigte er sich vor allem mit der Verbreitung von Böden, ihrer Systematik, Nutzung und ihrem Schutz in Deutschland und der Welt. Er war maßgeblich am Aufbau des ersten Studiengangs "Bodenwissenschaften" in Deutschland beteiligt und als Vizepräsident der „Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft“ sowie im Vorstand des „Bundesverband Boden“ aktiv. Seit seiner Emeritierung gilt sein besonderes Interesse der Plaggenwirtschaft und ihren Auswirkungen auf Landschaften, Böden und der bäuerlichen Entwicklung in Nordwestdeutschland.

 

Vorwort
Im 10. bis 14. Jahrhundert kam es in Mitteleuropa zu einer deutlichen Zunahme der Bevölkerung, deren Ernährung mit den bisherigen Abläufen in der Land-
wirtschaft nicht mehr sicherzustellen war. Vor allem wurden neue, innovative Methoden des Ackerbaus notwendig. In weiten Teilen Europas setzte sich die
Dreifelderwirtschaft durch. Die meist sandigen und wenig fruchtbaren Böden in der Nordwestdeutschen Tiefebene und in den östlichen Teilen der Niederlande
waren dafür allerdings wenig geeignet. Hier entwickelte sich ein einzigartiges Verfahren der Landnutzung, das in Ablauf und Ausdehnung weltweit nur in diesem
Raum praktiziert wurde: die Plaggenwirtschaft.
Bei dieser Form der landwirtschaftlichen Bodennutzung wurden auf nassen Wiesen, Heideflächen und in Wäldern Plaggen (Grassoden mit anhaftendem Erd-
reich) gestochen, in die Viehställe gebracht, dort als Einstreu verwendet und meist kompostiert. Anschließend wurden mit dem Material die Felder gedüngt. Das erlaubte eine dauerhafte Nutzung der Äcker und führte zum „ewigen Roggenbau“.
Die Plaggenwirtschaft war mit einem enormen Arbeitsaufwand verbunden, wie dies heute kaum noch bekannt und vorstellbar ist. Das gesamte tägliche Leben
auf den Höfen wurde durch diese Wirtschaftsform bestimmt. Ganze Landschaften wurden umgestaltet und verändert. Noch heute sind aufgehöhte Eschflächen, tiefer
gelegte Entnahmebereiche und Eschkanten sichtbar. Selbst ein neuer Bodentyp mit einer deutlich erhöhten Bodenfruchtbarkeit entstand – der Plaggenesch. Anderer-
seits verödeten ganze Landschaften. Die heute in Nordwestdeutschland zu finden-den ausgedehnten Heideflächen und mittelalterlichen Sanddünenlandschaften sind
größtenteils eine Folge der Plaggenwirtschaft.
Unbestritten hatte die Plaggenwirtschaft auch soziokulturelle Auswirkungen. Flur- und Straßenbezeichnungen mit „Esch“ sind in Nordwestdeutschland weit
verbreitet. Familiennamen wie Esch, Escher, Plagge oder Placke sind häufig zu finden. Auch Sprache, Sitten, Gebräuche und Erzählungen wurden durch die
Plaggenwirtschaft geprägt. Umso erstaunlicher ist es, wie wenig heute in der Bevölkerung, nur 100 Jahre nach Beendigung der Plaggenwirtschaft, über diese, ganz Nordwestdeutschland prägende Form der Bodennutzung bekannt ist. Andererseits besteht großes Interesse an der Geschichte und den Leistungen der Vorfahren, vor allem, wenn eine tiefere Verwurzelung zur engeren Heimat und zur bäuerlich geprägten Vergangenheit gegeben ist.
Das Anliegen des Buches ist es, diese Informationslücke zu schließen. Auf der Basis eigener umfangreicher Forschungsarbeiten, Studien und ausgewerteter Lite-
ratur wird über die Plaggenwirtschaft und ihre Auswirkungen auf die Landwirtschaft, auf Böden, auf Landschaften und auf die Menschen berichtet. Zielgruppe
sind nicht in erster Linie Fachleute, sondern die interessierte Öffentlichkeit, für die keine umfassende populärwissenschaftliche Darstellung über diese Form der his-
torischen Landnutzung vorliegt. Das Buch ist nicht nur als Informationsquelle für breite Kreise der Bevölkerung gedacht, sondern auch für den Einsatz in Schulen,
Hochschulen und in der Bildungsarbeit geeignet. Didaktisches Prinzip sind relativ kompakt gehaltene, verständlich formulierte Texte, viele Beispiele aus dem Ver-
breitungsgebiet der Plaggenwirtschaft in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sowie eine Fülle historischer und aktueller Abbildungen. Ver-
tiefende Ergänzungen im Text tragen zu einem besseren Verständnis relevanter Zusammenhänge bei. Der weiteren Information dient ein umfangreiches Literaturver-
zeichnis.
Dieses Buch entstand in ständigem Austausch mit Freundinnen und Freunden, Fachkolleginnen und Fachkollegen, Angehörigen und Unterstützern. Ihnen allen möchte ich meinen herzlichen Dank ausdrücken.
Zu nennen sind insbesondere Lutz Makowsky für seine außerordentlich fachkundige Durchsicht des Manuskriptes und Bodo Zehm, der mich mit Rat und
Tat unterstützte und dem ich viele wertvolle Hinweise zu archäologischen Fragestellungen verdanke. Gertrud Große-Heckmann sowie Yvonne Kniese und Chris-
tian Dahlhaus halfen mir sehr bei der Erarbeitung der Abbildungen. Technische Hilfe gaben Ernst Schützler und vor allem Veit Mueller. Mein besonderer Dank
gilt meiner Enkeltochter Juna Günther, die (mit etwas Unterstützung durch ihre Mutter) mit großem Eifer ein Kapitel mit ihren Bildern bereicherte.
Die Vorbereitungen für das Buch begannen bereits vor etlichen Jahren. Dazu gehören umfangreiche Laboruntersuchungen der beschriebenen Böden, die Elke Nagel sehr zuverlässig durchführte. Kathrin Böhme trug durch fleißige Literaturrecherchen zur Materialsammlung bei. Zu großem Dank verpflichtet bin ich auch vielen Landwirten und Heimatvereinen im Osnabrücker- und im Münsterland, die teils umfangreiche Auskünfte gaben und Material zur Verfügung stellten.
Die Arbeit der Lektorin Grit Zacharias zeichnete sich nicht nur durch eine sorgfältige Durchsicht des Manuskriptes, sondern auch durch hohen bodenkund-
lichen Sachverstand aus. Dem Springer-Verlag (insbesondere Frau Bettina Saglio und Herrn Simon Shah-Rohlfs) danke ich für die konstruktive und hilfreiche Zu-
sammenarbeit.
Ganz besonderer Dank gilt meiner Frau, die meine jahrelange Beschäftigung mit der Plaggenwirtschaft verständnisvoll begleitete und mich insbesondere durch
ihr außerordentlich gründliches Korrekturlesen vor manchem Schreib- und Ausdrucksfehler bewahrte.
Klaus Mueller

Inhaltsverzeichnis
1 Was vorher war . . . . .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... . . 1
1.1 Jäger, Sammler und Bauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .......... .... . . 1
1.2 Kupfer, Bronze und Eisen . . . ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . 6
1.3 Römer und wandernde Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............ . . 9
1.4 Rückbesiedlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........... . . 11
1.5 Der Esch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .......... . . 16
1.6 Die Allmende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ......... . . 16
2 Nahrung braucht das Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...... . . 23
2.1 Rasche Bevölkerungszunahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .......... . 23
2.2 Zwei Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ......... . 28
2.3 Auf Sand (an)gebaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .......... . 31
2.4 Lösung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ......... . . 36
3 Harte Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . 39
3.1 Beginn der Plaggenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ......... . 39
3.2 Plaggen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .......... . 45
3.3 Hauen, Stechen, Schlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ......... . 48
3.4 Vom Feld in den Stall und zurück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ......... . . 56
3.5 Viel Arbeit … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........ . . 62
3.6 Zank und Streit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .......... . . . 64
4 Grenzverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . 67
5 Neuer Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . 71
5.1 Ein neuer Bodentyp entsteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........ . . . 71
5.2 Veränderte Bodeneigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........ . . 80
5.3 Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........ . . 85
5.4 Niveauerhöhungen und -ausgleich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ....... . 89
5.5 Niveautieferlegung und Eschkanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........ . 91
5.6 Eschgräben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...... . . 97
6 Neue Landschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
6.1 Eschdörfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... . . 107
6.2 Verheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... . 110
6.3 Wehsandgebiete und Dünen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... .. . 114
6.4 Ausmaß der Verwüstungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...... . ... .121
6.5 Zeitzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... . 125
6.6 Bewegter Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . 128
7 Neue Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
7.1 Markteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... . . 131
7.2 Nutzungswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... . . 137
7.3 Ende der Plaggenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . 144
8 Plaggenesche heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
8.1 Fruchtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... . 151
8.2 Klimawandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... . 155
8.3 Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . 162
8.4 Flächenverbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 165
8.5 Bodenschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 169
8.6 Schutz archäologischer Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . 170
9 Soziokulturelles Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
9.1 Sprache und Familiennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . 180
9.2 Landschafts-, Straßen- und Ortsbezeichnungen . . . . . . . . . . .... . . 186
9.3 Regeln, Sitten und Symbole. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . 190
9.4 Sagen, Lieder und Geschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . 195
10 Ein Tag im Leben eines Hofknechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
11 Information tut Not. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 207
11.1 Informationszentrum „Plaggenesch“ Wallenhorst
(Niedersachsen, Landkreis Osnabrück) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........ 210
11.2 Museumsdorf Hösseringen (Niedersachsen, Kreis Uelzen) . . . . 215
11.3 Wacholderhain Merzen-Plaggenschale (Niedersachsen,
Landkreis Osnabrück) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........ 218
11.4 Bodenlernstandort Plaggenwirtschaft Lotte-Büren
(Nordrhein-Westfalen, Kreis Steinfurt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ....... . 222
11.5 Bodenlernstandort Lienen-Kattenvenne (Nordrhein-Westfalen,
Kreis Steinfurt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........ 225
11.6 Bodenlernstandort Ochtrup (Nordrhein-Westfalen,
Kreis Steinfurt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........ 227
11.7 Goting Kliff auf Föhr (Schleswig–Holstein, Kreis
Nordfriesland) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ......230
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -. . . . . . . . . . 235
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 243